KAPITEL V
- Leah Hasjak
- 25. Aug.
- 11 Min. Lesezeit
Was muss, das muss
Mr. Ashcroft hatte sie mit eisernem Griff in ihren Kombösen-Kerker hineingeschoben und, mit einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete, gedroht, sie nicht wieder herauszulassen, bevor sie etwas Essbares produziert hatte. Es musste längst Mitternacht sein, und die dünne Laterne über dem Ofen warf flackernde Schatten an die rußigen Wände.
Bill, der Gehilfe mit dem trüben Auge und scharfen Körpergeruch, hatte sich aus seiner sonst trägen Art gelöst und tatsächlich den Ofen in Gang gebracht. Ein krummer Eimer Wasser stand griffbereit, und unter Philippas eher vagen Anweisungen – die mehr aus zögerlichen Gesten als aus Erfahrung bestanden – landete alles in einem einzigen, immerhin sauberen, großen Topf. In der Vorratskammer hatte sie schrumpelige Kartoffeln aufgetrieben, ein paar müde Zwiebeln und dutzende Knoblauchzehen. Geschält wurde nichts; dazu fehlte ihr sowohl die Lust als auch das Können. Eine Handvoll undefinierbarer Gewürze, die sie nach Laune auswählte, kam hinterher. Die Suppe kochte nun vor sich hin, ein trüber Sud, aus dem ab und zu ein Kartoffelstück auftauchte wie ein treibendes Wrackteil.
Mit der Zeit begann der beißende Geruch von Knoblauch, der in rauen Mengen in den brodelnden Topf geworfen worden war, sich gegen die alte, schwelende Schicht aus Schiffsaroma zu behaupten.
Philippa spürte, wie ihr Magen sich immer wieder zusammenzog, je dichter der Dunst wurde. Das Aroma war nicht einfach würzig, sondern roch nach Übermaß – und nach drohender Übelkeit. Sie rümpfte die Nase, schnappte nach Luft, doch der Geruch hing schwer im Raum und schien sogar an ihren Haaren zu kleben. Schon jetzt meinte sie, die Strähnen hätten sich vollgesogen, als wären sie der Schwamm, der die Ausdünstungen des Schiffes aufnahm. Die Vorstellung, bis ans Ende ihrer Tage nach Knoblauch zu riechen – egal ob an Land oder auf See – ließ sie schaudern. Ein Hauch davon würde sie überall begleiten, ihre Haare würden nie wieder ganz sauber sein.
Diese Sorge nagte wie die Übelkeit an ihr, wurde zum dumpfen Begleiter, je länger die Suppe brodelte. Philippa presste die Lippen zusammen, vermied es, einzuatmen, doch das half wenig. Sie hatte das Gefühl, als würde das Aroma in jede Pore dringen, als könnte sie nie wieder ihre eigene Haut riechen.
Bill stand neben ihr, kratzte sich am Bartstoppeln und begann ohne jede Vorwarnung ein einseitiges Gespräch: »Mr. Thorne, unser Schiffskoch, weilt seit zwei Wochen nicht mehr bei uns.«
»Nur sein Ableben kann diese Unordnung und Widerlichkeit rechtfertigen«, wehrte Philippa das Gespräch launig ab, den Blick fest auf den Topf gerichtet.
»Na, dann ist es ja gut. Er ist tatsächlich tot.«
»Starb er an und in dieser Küche?«, fragte sie bissig und zuckte innerlich über ihren eigenen Zynismus zusammen.
»Nein«, Bill runzelte die Stirn und dachte über diese Möglichkeit nach. »Nein, vermutlich nicht. Eher an der Franzosenkrankheit.«
»Erspart mir die Details.«
»Nee, das ist zu gut, um’s nicht zu erzählen. Man lernt viel.« Er beugte sich zu ihr, als würde er ein Geheimnis verraten. »Wahrscheinlich Syphilis. Hat er sich vor 15 Jahren im Kap der guten Hoffnung geholt – untenrum. Erst kleine, rote Bläschen, so wie winzige Pickelchen, die aufplatzten, wenn man nur dran gekommen ist. Hab ich selbst gesehen, er hat’s mir gezeigt. Die Haut drumherum war gerötet, stellenweise rissig und nässte, roch schon unangenehm metallisch. Ging nicht weg. Wurde schlimmer, schwoll an, bekam eiternde Stellen. Dann kam das Fieber, Schüttelfrost, und er konnte kaum noch laufen, ohne das Gesicht zu verziehen. War kein Zustand mehr, um gut zu leben. Als er vor zwei Wochen hier einfach umkippte und nicht mehr atmete, da war ich froh für den Mann.«
Philippa hielt sich die Ohren zu. Oh mein Gott. Hör auf zu reden, beschwor sie ihn im Stillen.
»Jedenfalls find ich’s besser, dass Ihr jetzt für uns sorgt. Frauen können das viel besser, sage ich immer. Das Umsorgen. Das liegt euch, also das für andere da sein«, fügte Bill mit einer Miene hinzu, als habe er ihr ein Kompliment gemacht. Philippa erwiderte nichts, sie starrte ihn nur entsetzt an. Da sie sich nicht für seine Zurede bedankte, zuckte er enttäuscht mit der Schulter und verschwand aus der Tür.
Sie atmete erleichtert aus, doch ihre Freude währte kurz, denn er kam mit einem der letzten Mehlsäcke zurück.
»Wir machen Brot.«
Mit geübten Handgriffen schüttete er das Mehl in eine verdreckte Holzschüssel, goss Wasser dazu und begann zu kneten. Der Teig klebte an seinen dreckigen Händen, er drückte ihn flach und legte ihn auf die heiße Ofenplatte, wo er sich bald blähte und nach etwas roch, das tatsächlich essbar war. Ein wenig Salz streute er darüber.
»Übrigens hatten wir alle mal ‘nen schlimmen Ausschlag«, fuhr Bill fort, während er den Fladen wendete, als wäre das eine ganz normale Küchengeschichte. »Rot und schuppig, mit juckenden Stellen, die nachts schlimmer wurden, sodass man sich im Schlaf blutig gekratzt hat. Manche hatten sogar offene, nässende Stellen an den Handgelenken und am Hals, und das Salz vom Meer hat gebrannt wie Feuer. Monatelang sind wir damit herumgelaufen, bis uns in Spanien ‘ne Frau so Gänsefett mit Kräutern gegeben hat. Haben wir uns damit eingeschmiert – fettige Haut, die in der Sonne geglänzt hat, und das ganze Schiff roch nach Gans. Wochenlang. Aber die Krankheit ging weg. Gott sei Dank.«
Philippa hielt den Atem an und tat so, als sei sie völlig in die Beobachtung der Suppe vertieft. Die Suppe blubberte, das Brot bräunte, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als nie wieder eine Küchengeschichte von Bill zu hören.
•
Nathalien saß im Nebenraum, als Bill schließlich Suppe und Fladenbrot brachte. Es hatte ewig gedauert, doch nun standen dampfende Schalen und warmes Brot vor ihm. Ein Teil der Mannschaft drängte sich um den Tisch, der Rest blieb an Deck, bis man sie ablöste.
Vorsichtig probierte er – und staunte. Die Suppe war kräftig, das Brot warm und knusprig, und jeder Bissen löste ein tiefes, wohliges Gefühl in ihm aus. Es war die erste warme Mahlzeit seit Tagen, und er spürte, wie die Müdigkeit von ihm abfiel. Auch bei den Männern um ihn herum fiel die Anspannung ab, die Schultern sanken, das Lachen kam zurück.
Was ihn jedoch am meisten überraschte, war der viele Knoblauch, der sich deutlich in der Suppe bemerkbar machte. Der würzige Duft und Geschmack erfüllten ihn mit einer seltsamen Art von Glück – als hätte sich ein Stück Geborgenheit inmitten der rauen See in den warmen Dampf geschlichen. Die Kartoffeln im Eintopf sättigten jede Ecke seines Magens, machten angenehm schwer und legten sich wie eine beruhigende Schicht über den Hunger, der ihn seit Tagen geplagt hatte.
Mit jedem weiteren Bissen spürte er, wie sich eine wohlige Schwere in seinen Gliedern ausbreitete. Die Erschöpfung, die sich schon seit Langem in seinem Körper eingenistet hatte, sickerte langsam durch den Magen bis in die Gedanken – Müdigkeit, die nicht nur die Muskeln lähmte, sondern auch seinen Geist umnebelte. Es war, als würde das Essen ihn zugleich stärken und in einen sanften, schläfrigen Dämmerzustand wiegen.
Als er fertig war, ging er zu seiner Kajüte – und hätte es sich denken können: Die Frau lag darin, zusammengerollt unter einer Decke, leise schnarchend, den Mund halb offen, die Kleidung noch an. Im Schlaf wirkte sie jünger, fast unschuldig, und hübsch – solange sie schwieg. Entweder war sie eine geschickte Schauspielerin oder schlicht unbeholfen. Typisch für den Mann, den sie „Onkel“ nannte, ihm jemanden so undurchschaubaren unterzuschieben.
Er musste sie loswerden – sie bedeutete Ärger.
Leise schloss er die Tür und beschloss, vor der Kajüte zu schlafen. So konnte keiner seiner Männer auf dumme Gedanken kommen, und sie blieb vor Ärger sicher.
Auf dem harten Boden in eine Decke eingewickelt liegend, ließ er seine Gedanken treiben: Konnte er sie auf Île d’Yeu loswerden? Wie würde er Geld für Vorräte auftreiben? Ließ sich die restliche Ladung dort verkaufen? Und wie sollte er mit dem Kapitän wieder ein erträgliches Verhältnis aufbauen? Nüchtern war der schwer zu ertragen, betrunken unerträglich. Auch das Gespräch über die Leiche stand noch aus.
Irgendwann begann er weg zu dämmern, neben sich die Pistole stets griffbereit liegen, und träumte von lauten Stimmen, die sich anschrien, und hörte darin Grants Bariton – dann einen Schuss. Er schreckte hoch, das Herz hämmernd, und lauschte. Doch außer dem leisen Flattern einer Laterne im Gang unter Deck und dem Schnarchen aus der Nähe der Schlafsaals war nichts zu vernehmen.
Ein Traum.
Er tastete schnell nach seiner Weste, zog den Stoff zur Seite und spürte den Brief. Erleichterung. Er musste ihn nicht öffnen, um zu wissen, was darin stand – vermutlich ein sicherer Hinweis darauf, wo das Gold lag und wer sie dorthin führen konnte. Was wirklich vor zwanzig Jahren passiert war, wusste vielleicht niemand mehr, aber das Gold hatten sie womöglich lokalisiert. Sobald er allein und in Ruhe war, würde er den Brief lesen.
Mit der Hand auf der Weste glitt er erneut in den Schlaf.
•
Philippa fuhr aus dem Schlaf, als ein hartes Hämmern gegen die Tür ihre Träume zerriss. Bevor sie auch nur blinzeln und begreifen konnte, wo sie war, flog die Tür auf. Mr. Ashcroft stand im Rahmen, die Schultern breit, der Blick finster.
»Aufstehen. Bald geht die Sonne auf, die Männer haben Hunger. Ihr kocht – mir egal was. Von mir aus eine Suppe wie gestern, die war gut.«
Ehe sie den Mund aufmachen konnte, war die Tür schon wieder zugeknallt. Philippa starrte zur Decke, noch halb in dem wirren Traum gefangen, aus dem sie gerissen worden war. Am liebsten würde sie einfach weiterschlafen, bis sie wieder in ihrem eigenen Bett zu Hause aufwachte – warm, sicher und fern von diesem schwankenden Albtraum aus Holz. Sie zog die Decke enger um sich, rollte sich wieder ein und beschloss, Mr. Ashcrofts Befehl zu ignorieren.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war – vielleicht Minuten, vielleicht eine halbe Ewigkeit –, als die Tür erneut aufging. Diesmal stand er direkt vor ihr, so nah, dass sie seinen Atem spüren konnte, keine zehn Zentimeter entfernt. Er beugte sich über sie, sein Schatten verdunkelte ihr Gesicht, und er sah ihr mit unbewegter Miene in die Augen.
»In. Die. Kombüse«, befahl er knapp, mit dieser Härte in der Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Philippa schloss demonstrativ die Augen und drehte sich weg, als könnte sie ihn dadurch aus ihrer Welt verbannen. Sie hörte ihn schnaufen – ein langes, genervtes Geräusch – und im nächsten Moment spürte sie schon, wie er sie packte, entschlossen und ohne Rücksicht, und aus der Koje zog. Halb verschlafen, noch benommen von der dumpfen Wärme ihrer Decke, ließ sie sich erst mitschleifen, klammerte sich an den Gedanken, dass dies alles nur ein zäher Albtraum sein musste, aus dem sie gleich erwachen würde. Erst auf halbem Weg, als ihre Füße den kalten Plankenboden spürten und sie begriff, dass der Traum kein Ende nahm, begann sie, sich heftig zu wehren. Doch er schleppte sie unbeirrt in die Kombüse und warf sie hinein.
Dort empfing sie der vertraute Gestank: kalte Asche im Ofen, ranziges Fett in den Ritzen, ein Hauch von Schimmel und der ewige Dunst vom gestrigen Knoblauch. Bill lag auf einem Strohsack, wachte auf und grunzte.
Mr. Ashcroft nickte ihm zu und verschwand aus der Tür. Müde und benommen starrte Philippa vor sich her.
»Na, wollen wir mal Essen machen«, sagte Bill mit rauer Stimme, streckte sich und gähnte so laut, dass sie alle seine fehlenden Zähne sehen konnte.
»Ich kann nicht mehr. Ich will das nicht. Ich will hier weg. Außerdem kann ich nicht kochen – nehmt doch jemanden, der das kann. Ihr könntet doch für uns kochen. Offenbar liegt Euch das.«
Bill lachte.
»Ich? Nee, für mich allein, ja, aber für andere? Nee. Ihr seid eine Frau, das solltet ihr können. Wie wollt Ihr Eure Familie ernähren? Soll Euer Mann etwa kochen?«
»Da, wo ich herkomme, kochen Frauen nicht.«
Er lachte lauter. »So einen Ort gibt es nicht. Kommt mit.«
Er führte sie zu einem niedrigen Verschlag am Heck, dessen Bretter von Wind und Salzwasser aufgequollen waren. Das Licht fiel nur spärlich durch ein schmutziges Bullauge, in dessen Rahmen sich Spinnweben sammelten. Sieben halbgerupfte Hühner staksten nervös durch das feuchte, verdreckte Stroh, pickten nach alten Kartoffelschalen und wichen scheu zurück, sobald Philippa einen Schritt tat.
Von einer Ecke aus meckerte eine grau-weiß gescheckte Ziege mit struppigem Fell, die an einem abgenagten Seil festgebunden war und trotzig an einem morschen Holzbalken kaute. Mäuse huschten am Rand der Futtertröge entlang, wo sich der Geruch von Ammoniak, feuchtem Holz und altem Mist zu einer beißenden Wolke vermischte. Über allem hing der dumpfe Lärm der Wellen gegen den Schiffsrumpf und das gelegentliche Knarzen der Planken, das ahnen ließ, wie alt und gebraucht dieser Ort war – eine kleine, chaotische Welt für sich am Rand des großen, schaukelnden Schiffes.
»Sucht die Eier. Ich geh mich mal erleichtern.«
Philippa blieb ängstlich stehen.
•
Nathalien stand mit verschränkten Armen vor dem Kartentisch, während das schwankende Licht der Öllampe über Karten und Navigationsinstrumente huschte. Der Kapitän lümmelte auf seinem Stuhl, die Stiefel auf der Tischkante, und starrte ihn mit diesem schläfrigen, aber misstrauischen Blick an. Die Luft in der Kajüte war stickig und schwer, durchzogen vom Geruch nach kaltem Tabak, verschüttetem Rum und der salzigen Feuchtigkeit, die überall an Bord klebte.
»Wie werden in acht Stunden auf der Île d’Yeu anlegen müssen«, begann er mit fester Stimme. »Die Vorräte sind fast aufgebraucht, und was noch im Laderaum liegt, ist kaum einen Penny wert.«
Wexford schnaubte und richtete sich halb auf. »Das war eure verdammte Idee, Ashcroft. Diese alten Stoffballen und ein paar kümmerliche Säcke Gewürze – hab’ ich euch gleich gesagt, dass das keiner kauft. Hättet ihr auf mich gehört und Likör geladen, dann wären wir längst unsere Sorgen los.«
Nathaliens Blick verhärtete sich.
»Ihr wollt doch nicht im Ernst behaupten, es wäre klug gewesen, eine Ladung Alkohol auf ein Schiff voller Trunkenbolde zu bringen – euch eingeschlossen. Damit hätten wir auch gleich den Bug gegen den nächsten Hafen rammen können.«
Wexford grinste schief, entblößte ein paar gelb verfärbte Zähne. »Unsinn. Wir sollten uns wieder auf unsere alten Werte konzentrieren. Alkohol, Tabak, Waffen.«
»Nein, das bringt uns an den Galgen. Lasst uns Rohware laden und einen Teil verzollen, den anderen unterm Tisch absetzen. Das bringt weniger ein, aber dafür erspart uns das Ärger. Wir müssen dafür in die Karibik, und das wisst Ihr ganz genau.«
»Ich wüsste nicht, warum wir dorthin sollten«, kam die brummige Antwort.
Nathalien trat einen Schritt näher, die Hände auf den Tisch gestützt. »Weil wir das längst besprochen und beschlossen haben.«
Der Kapitän lehnte sich zurück, die Augen schmal. »Das ist es ja mit euch. Ihr redet, verdreht die Dinge, und am Ende behauptet ihr, ich hätte zugestimmt. Dabei spinnt ihr längst eure eigenen Netze.«
Stimmt, dachte Nathalien, aber das werdet ihr von mir nicht hören. Stattdessen sagte er gleichmütig:
»Ihr habt’s nur vergessen. Ursprünglich wolltet Ihr um Afrika herum und nach Indien. Um der alten Zeiten willen.«
»So war es, ja. Vielleicht tun wir das auch.«
»Von mir aus. Ändern wir den Plan. Segeln wir nach Indien«, erwiderter Nathalien übereifrig.
Wexford beugte sich vor, starrte ihn einen Moment prüfend an und schnaubte dann spöttisch.
»Ha! Schön versucht. Das ist doch wieder so ein Fallstrick von euch. Nein, wir segeln genau dorthin, wo ihr jetzt plötzlich nicht hinwollt – in die Karibik. Damit ihr nicht glaubt, mich überlisten zu können.«
Nathalien tat verärgert und wandte seinen Blick ab, dann verließ er mit einer Mischung aus gespielter Resignation und innerer Genugtuung die Kajüte des Kapitäns. Der Plan stand – sie würden Kurs auf die Île d’Yeu nehmen, und der Kapitän glaubte, ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht zu haben. Perfekt.
Er ging den Gang entlang zu seiner eigenen Kajüte und öffnete die Tür, halb erwartend, das widerspenstige Weib aus der Kombüse dort vorzufinden. Doch der Raum war leer – immerhin war sie dieses Mal nicht ihrer Aufgabe entflohen. Mit einem missbilligenden Blick nahm er den chaotischen Zustand in Augenschein: seine Koffer halb offen, eine Kerze schief in der Halterung, das Bett zerwühlt. Er räumte wortlos auf – schob den Koffer beiseite, löschte die Kerze, zog das Laken glatt.
Während er noch seine Gedanken ordnete, drang von unten lautes Fluchen herauf, gefolgt von Bills heiserer Stimme, die jemanden anbrüllte. Dann ein empörtes Gackern – und ein Huhn flatterte die Treppe hoch, als ginge es um sein Leben. Kurz darauf tauchte sie auf, das Kleid zerknittert, der blaue Rock von Federn übersät, die Haare wirr. Sie hechtete dem Huhn hinterher, während Bill unten schrie, sie solle es gefälligst einfangen.
Nathalien lehnte sich im Türrahmen zurück und zog eine Augenbraue hoch.
Nicht mein Problem.
Er trat wieder ein, setzte sich aufs Bett und schloss die Augen. Nur ein Moment Ruhe. In einem halben Tag würden sie die Insel erreichen – und er brauchte dringend einen Plan, um an Geld zu kommen.
Noch hatte er keinen.

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